„Maaaaama, wach auf, du musst mir noch die Haare flechten!“
„Aber mein Schatz, es ist mitten in der Nacht!“
„Aber du hast gesagt, wir müssen ganz früh aufstehen, damit du es schaffst.“ Tränen kullern über ihr Gesicht.
Meine Tochter steht kurz nach Mitternacht an meinem Bett und hat Angst, nicht rechtzeitig zu ihrer Einschulungsfeier zu kommen, auf die sie sich freut, seit unser Sohn vor drei Jahren in die Schule kam. Tränen will ich jetzt nicht, also stehe ich auf und fange an, ihr in der Küche die Haare zu flechten. Zum Glück schläft sie nach drei Minuten am Küchentisch ein, so dass ich sie wieder ins Bett bringen kann.
Nach einer kurzen Nacht klingelt der Wecker. Es ist anders als vor drei Jahren. Die Kinder schlafen noch. Kein Besuch drängelt sich vor dem Bad, er kann ja ausschlafen. Heute dürfen nur wir Eltern und Geschwisterkinder zur Feierstunde. Die Gäste unserer Tochter sind erst ab 15.30 Uhr eingeladen. Und es dürfte dieses Mal vor der Schule genügend Parkplätze geben. So können wir auf jeden Fall in Tornähe parken, und ich kann ausnahmsweise mal die Absatzschuhe anziehen, die ich total unbequem aber sehr schick finde. Außerdem müssen wir nicht die ersten sein um die besten Plätze zu besetzen, damit wir unserem Kind, wenn möglich, noch während der Zeremonie die Hand halten können. Mit dem Loslassen haben wir so unsere Probleme. Aber das sagen wir keinem. Wir brauchen also nicht zu hetzen. Und wir brauchen uns um niemand anderen zu kümmern als um uns.
Unser Tag beginnt wie jeder andere. Nur unsere Kinder sind wahnsinnig aufgeregt, was etwas anstrengend ist. Hektisch wird es, als es an der Zeit ist, unserer Tochter in die dünne Strumpfhose zu helfen, damit diese nicht reißt, ihr das Haar zu flechten, was großen Protest auslöst, weil es angeblich zu sehr ziept, das Kleid über die kunstvoll geflochtene Frisur zu stülpen, ohne sie zu zerstören und alle noch einmal ins Bad zu schicken, damit es nachher kein Malheur gibt. Und unsere Tochter erkennt mit stolzem Lächeln an, dass wir uns nur für sie so schick gemacht haben, heute alles nur ihretwegen so ist wie es ist. Was für ein Tag!
Endlich fahren wir los. Es gibt tatsächlich noch einen Parkplatz direkt am Schultor. Perfekt! Dort begrüßen uns fröhlich die anderen Kinder und deren Eltern, und wir spazieren zum ausgewiesenen Eingang, mit Mundschutz natürlich. Wir werden freudig von Lehrern und Erziehern empfangen, gehen zum Händewaschen, geben unsere aufgeregte Tochter im Klassenzimmer ab und schlendern mit Abstand zu den anderen zur Aula. Auf dem Weg dahin sehe ich die Täfelchen mit den Namen der Erstklässler von der Decke hängen, wie jedes Jahr. Und ich hoffe, dass jemand meiner Tochter zeigt, wo ihr Name steht. Es ist wieder alles so liebevoll geschmückt und langsam aber sicher werde ich emotional. Wir betreten durch einen Rosenbogen, vom Förderverein gespendet und mit viel Herz geschmückt, die Aula und setzen uns auf die uns zugewiesenen Plätze, immer schön in Familiengrüppchen. Und wir sind neugierig. Denn zum Elternabend wurde uns etwas Besonderes versprochen, was uns sicherlich gefallen wird, Corona geschuldet mal etwas ganz anderes, als es in dieser Schule bisher gab.
Die Feierstunde beginnt.
Jetzt brauche ich ein Taschentuch. Die Schulleiterin erzählt nach ihrer herzlichen Begrüßung der Eltern eine Geschichte, die mich sehr berührt, weil ich mich ein kleines bisschen zu doll in ihr wiederfinde. Und ich nehme mir vor, weiter an meinen mütterlichen Qualitäten zu arbeiten, wieder einmal!
Nun kommt der Höhepunkt. Unsere aufgeregten Kinder betreten durch den Rosenbogen die Aula, einzeln, strahlend, wunderhübsch. Wo war gleich mein Taschentuch? Sie dürfen sich in die erste Reihe vor die Bühne setzen. Und nachdem das letzte Kind von der Schulleiterin als neues Schulkind begrüßt wurde, folgt ein tolles Theaterstück, handelnd von Freundschaft, gegenseitiger Hilfe, Akzeptanz und Anderssein, mit Paula, die auch ihren ersten Schultag hat, und Schwupps und Theo und einem schlauen Vogel, gespielt von den Lehrern für die Kleinen und sicher auch für uns. Und wer die Lehrer kennt, merkt sehr schnell, dass die Regisseurin, eine Theaterpädagogin und Lehrerin an unserer Schule, tolle Arbeit geleistet hat. Jedem ist seine Rolle auf den Leib geschrieben. Die ganz strengen sind da plötzlich so lustig. Und die immer lockeren können ganz ernst sein. Und die Kinder dürfen über ihre Lehrer herzlich lachen. Mein Mann und ich sind begeistert! Unser Sohn, der alle kennt, ist ebenso sehr beeindruckt. Und die Schauspieler vermitteln so viel Spaß an ihrem Spiel, dass wir uns als Familie köstlich amüsieren und bis zum Schluss gebannt zusehen und zuhören. Und die Erstklässler ganz nah am Geschehen und auch mittendrin sind Feuer und Flamme und rufen und klatschen und lachen. Und dieses Lachen haben sie noch im Gesicht, als es endlich die langersehnten Zuckertüten gibt und auch noch den gesamten Tag – ihrem großen Tag.
Es war eine schöne Einschulungsfeier, sehr gelungen, respekt- und würdevoll, trotz der unschönen Umstände durch die Corona-Pandemie. Sie war anders als die bisherigen, ruhiger und auch entspannter. Aber das haben die Erstklässler, für die sie inszeniert wurde, überhaupt nicht bemerkt. Denn der Tag war ihr Tag, ohne Wenn und Aber.
Mutter einer Schulanfängerin